EOTRH = Equine Odontoclastic Tooth Resorption and Hyperzementosis
Die von allen Pferdebesitzer/innen (und Tierärzt/innen) gefürchtete Erkrankung der Schneidezähne mit der unaussprechlichen Abkürzung.
Begriffserklärung
- Equine = Pferde
- Odontoclastic = Odontoklasten sind Körperzellen, die das Dentin (Zahnbestandteil) abbauen. Normalerweise bewirken sie den natürlichen Abbau der Zahnwurzeln von Milchzähnen beim Zahnwechsel.
- Tooth = Zahn
- Resorption = Auflösung von Gewebsstrukturen durch spezialisierte Zellen (Odontoklasten)
- Hypercementosis = übermässige Zementneubildung (Zement= Bestandteil der Zähne) -> Verdickung der Zahnwurzeln
Die Bilder rechts sind von eigenen Patienten und dienen der Anschauung. EOTRH ist aber sehr unterschiedlich ausgeprägt – nicht jeder Patient zeigt dieselben Symptome.
Die Ursache ist leider nicht eindeutig geklärt – es wird ein Komplex aus mehreren Faktoren vermutet. Die Forschung ist aber sehr bemüht um die Ursachen zu finden und zahlreiche Studien werden zu EOTRH durchgeführt. Durch Fortbildungen informiere ich mich fortwährend über die neusten Behandlungsmethoden.
Definition
Eine hochgradig schmerzhafte, entzündliche und fortschreitend verlaufende Erkrankung der Schneidezähne. Häufig sind auch die Hengstzähne betroffen, selten die ersten Backenzähne.
EOTRH beschreibt ein Symptomkomplex, der bei jedem Pferd unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Die Ursache ist nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Verschiedene Studien werden immer wieder durchgeführt, auch um eine mögliche Prävention zu finden.
Welche Tiere sind betroffen?
- hauptsächlich ältere Pferde (20+), jüngster eigener Patient war 12 Jahre alt
- 75% der Pferde sind männlich
- Häufig bei Ponys und Kleinpferden
Symptome
Für die Besitzerin/den Besitzer zu bemerken
- Probleme beim Auftrensen
- Unangenehmer Geruch aus dem Maul
- Futterreste zwischen den Zähnen
- Pferd beisst nicht mehr von der Karotte/vom Apfel ab (Schmerzen beim Benutzen der Schneidezähne)
- Keine Fellpflege mehr von Herdenmitgliedern
- Verstärktes Speicheln
- Empfindlich gegenüber kaltem Wasser
- Zunge zwischen Schneidezähne geklemmt (vermutlich Druckabfederung)
- Gewichtsverlust
- Pferd „wirkt“ schlecht gelaunt, sondert sich ab (Apathie)
Klinische Bild
- Gingivitis (Zahnfleischentzündung)
- Hyperzementose (übermäßige Anlagerung von Zement rund um die Zahnwurzel, die Wurzeln erscheinen hervor gewölbt)
- eitrige Fisteln im Zahnfleisch
- Zahnfleischrückgang und/oder Schwellung des Zahnfleischs (Wulstbildung)
- Futtereinspiessung in Zahnzwischenräumen – Parodontitis
- Frakturen der Schneidezähne
- teils hochgradige Zahnsteinbildung
Diagnostik
Klinik
- Schmerzen bei der Maulhöhlenuntersuchung
-> Einsetzen des Maulgatters und Berühren der Zunge bewirkt Abwehr
Röntgen
- Zementanlagerung
- Auflösung des Zahnmaterials (Zähne wirken „mottenzerfressen“)
- Entzündung und Abbau des umliegenden Knochens
Therapie
Frühes Stadium
- Regelmäßiges Kürzen der Schneidezähne
- Füttern von Dentalpilzen
- Blutegel an Fisteln ansetzen
Fortgeschrittenes Stadium
- Extraktion aller betroffener Schneidezähne, häufig eine Entfernung aller Schneidezähne.
Die Operation erfolgt in tiefer Sedation im Stehen. Die Pferde bekommen einen Venenkatheter gelegt, um die Sedation konstant zu halten und sie an die Infusion anschließen zu können. Vor der Operation bekommen die Patienten ein Schmerzmittel, sowie auch die nächsten Tage. Magenempfindliche Tiere sollten zusätzlich einen Magenschutz erhalten. Die Zähne werden lokal betäubt, sowie in manchen Fällen zusätzlich eine Leitungsanästhesien, das heißt die Nerven betäuben, durchgeführt.
Fazit
EOTRH ist nicht lebensbedrohlich!! Kein Pferd muss deshalb eingeschläfert werden.
Eine Behandlung ist aber aufgrund der starken Schmerzen dringend notwendig. Pferde haben keinen Schmerzlaut und es ist nicht immer einfach festzustellen, ob ein Pferd Schmerzen zeigt. Die Aussage „das Pferd frisst noch“ ist kein Hinweis auf keine Schmerzen! Ich hatte eigene Patienten, die mit einem gespaltenen Backenzahn normal gefressen haben…
Meist stellt die/der Besitzer/in erst nach einem Entfernen aller Schneidezähne fest, wie sehr das Pferd unter den schmerzhaften Prozessen gelitten haben muss. Viele Pferde blühen auf – zeigen mehr Lebensfreude. Die Zahnfächer heilen innerhalb von 6 bis 10 Wochen aus. Das Pferd kann nach einer Schneidezahnextraktion grasen. Die Tiere rupfen die Grashalme dann mit den Lippen heraus. Nur Karotten und Äpfel können nicht mehr abgebissen werden, können aber kleingeraspelt verfüttert werden.
Da die Schneidezähne die Zunge im Maul halten, kann diese nach einer Totalextraktion herausfallen. Dies muss aber nicht bei jedem Pferd sein und ist häufig nur in Entspannung. Eine Verletzung der Zunge nach Entfernen der Schneidezähne wurde bei meinen Patienten noch nicht berichtet.
Quellen:
- CVE Impulse Zeitschrift- Ausgabe 04/2016
- https://www.zahn-lexikon.com/index.php/o/42-a-z/t-lexikon/844-odontoklasten
- Lehrbuch der Zahnheilkunde beim Pferd, Carsten Vogt (Hrsg), Schattauer Verlag, 2011
- Eickemeyer Intensivrotation Pferdezahnheilkunde, EOTRH Entscheidungshilfe: wann Zähne extrahieren, Referent: Dr Timo Zwick, April 2016, Tuttlingen